Sie ist derzeit in aller Munde und ein mächtiges Trendthema: Künstliche Intelligenz (KI). „Alexa“ und „Siri“, aber auch selbstfahrende Autos und andere Technologien sind ohne sie nicht denkbar. Künstliche Intelligenz verändert Arbeitswelten und Kompetenzanforderungen und birgt die Chance auf neue Geschäftsmodelle – und macht vielen Menschen, auch Unternehmerinnen und Unternehmern Sorgen. Eine Erkundung.
Diesmal blieb der Shitstorm im Netz aus. Vor fünf Jahren hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Dafür hatte es viel Spott gegeben. Nun, beim Digitalgipfel in Nürnberg Anfang Dezember, war sie vorsichtiger. Es ging um Künstliche Intelligenz und darum, wie Deutschland es schaffen kann, den Anschluss nicht zu verpassen. Die Kanzlerin befand, „dass wir uns alle sozusagen in einer Sphäre befinden, in der wir uns noch nicht so gut auskennen“ und sprach vom „noch nicht durchschrittenen Terrain.“
Vermutlich würden viele Menschen in Deutschland, auch einige Unternehmerinnen und Unternehmer, zustimmen. Aber nicht, weil es Künstliche Intelligenz (KI) in den Firmen und im Alltag noch nicht gäbe. Sondern weil es bei vielen noch nicht ins Bewusstsein vorgedrungen ist. Wenn beispielsweise von autonomem Fahren die Rede ist – eine Entwicklung, die stark von KI geprägt ist –, ist das für viele noch Zukunftsmusik.
Doch sie betrifft uns schon heute. „Künstliche Intelligenz ist die Idee, kognitive Leistungen des menschlichen Gehirns auf Computern nachzubauen – also zum Beispiel sehen, hören, Pläne machen“, erklärt Prof. Dr. Christian Bauckhage vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Informationssysteme IAIS in Sankt Augustin. Dabei spielen lernende Algorithmen eine große Rolle. „Mit ihrer Hilfe extrahieren Computer Informationen aus Beobachtungen und Beispielen und nutzen diese, um in künftigen Situationen agieren zu können“, erläutert der Experte. „Damit ist das ‚Maschinelle Lernen‘ eine Schlüsseltechnologie für die Künstliche Intelligenz.“
„Alexa“ und „Siri“ sind Beispiele für Technologien, in denen KI zum Einsatz kommt. E-Mail-Programme, soziale Netzwerke, Unterhaltungsportale, Shoppingseiten und Navigationssysteme automatisieren ebenfalls Entscheidungsprozesse und verbessern sich durch maschinelle Lernvorgänge selbst.
Auch in Deutschland entwickeln digitale Start-ups, Konzerne und innovative Mittelständler längst neue Geschäftsmodelle, verbessern Prozesse und ersinnen Produkte und Dienstleistungen, die alle eines gemeinsam haben: Es fließen KI-Elemente ein.
Ein Beispiel aus dem Maschinen- und Anlagenbau für die Kunststoffindustrie: Bei der Kunststoffproduktion entstehen in den Extrusionsanlagen Schwingungen. Diese lassen sich digital überwachen – auf Basis von Parametern, die von Menschen in Form von Algorithmen hinterlegt wurden. Doch nach und nach lernt der Rechner, was einen ordnungsgemäßen Zustand ausmacht und ab welchen Abweichungen eingegriffen oder gewartet werden muss. Je mehr Informationen das System sammelt und verarbeitet, desto besser wird seine Zukunftsfähigkeit, die Maschine lernt also dazu. Zukunftsmusik? Nein, Gegenwart: Ein großer Hersteller aus dem Rheinland wird 2019 die ersten Anlagen ausliefern, die so arbeiten.
Aus „Big Data“ wird „Smart Data“, Daten also, die sich dank KI sinnvoll verwerten lassen. „So entwickelt sich KI zunehmend zur Schlüsseltechnologie“, sagt Linda van Renssen, Leiterin des Referats Wirtschaft digital beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). KI sei die nächste Entwicklungsstufe der Digitalisierung, sie verstärke und beschleunige die Vorteile. „Mit ihr lassen sich Prozesse beschleunigen, Effizienzgewinne erzielen, Kundenbeziehungen verbessern und neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen“, betont van Renssen.
„Um sich weiterhin im globalen Wettbewerb behaupten zu können, wird der Einsatz innovativer Technologien für Unternehmen in Deutschland immer wichtiger – vor allem mit Blick auf die Datenauswertung und -nutzung“, heißt es im DIHK-Eckpunktepapier „Künstliche Intelligenz“, mit dem der DIHK Vorschläge für ein konzertiertes Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Forschung unterbreitet.
Die wichtigsten Forderungen des DIHK: Die Politik muss das Innovationsklima stärken, KI-Beispiele gehören mittelstandsgerecht, positiv und verständlich in die Öffentlichkeit. Zudem muss sie die erforderlichen Basisstrukturen sicherstellen – Stichworte: Glasfaser und 5G.
Mit ihrer Strategie zur Förderung der KI „bringt die Bundesregierung ein wichtiges und drängendes Thema voran", kommentierte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben die Pläne der Großen Koalition. Bis 2025 will die Bundesregierung insgesamt drei Milliarden Euro in KI investieren. Die Große Koalition wolle mit einer neuen KI-Strategie der deutschen Wirtschaft zur Weltmarktführerschaft verhelfen, schrieb das „Handelsblatt“. Das „noch nicht durchschrittene Terrain“ – die Politik entdeckt es gerade mit großen Schritten.
Quelle: Lothar Schmitz "Künstliche Intelligenz" Auf dem Weg ins noch nicht durchschrittene Terrain (für IHK News).